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19. August 2020

Braucht die Schweiz neue Kampfflugzeuge?

Neue Kampfjets für die Schweizer Armee – darum geht es in einer der fünf Vorlagen, über die am 27. September abgestimmt wird. Bundesrat und Parlament wollen sechs Milliarden Franken für die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge ausgeben, allerdings wurde von der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee das Referendum gegen diesen Planungsbeschluss ergriffen. Nun muss die Schweizer Stimmbevölkerung entscheiden: Kampfjets – Ja oder Nein?

Sechs Milliarden Franken – so viel sollen die neuen Kampfflugzeuge der Schweizer Armee in der Anschaffung insgesamt kosten, über ihre gesamte Lebensdauer hinweg sogar mindestens 18 Milliarden Franken. Das ist eine ganze Menge Geld und wirft die Frage auf, ob die neuen Kampfjets wirklich nötig sind für die Sicherheit der Schweiz oder doch bloss ein teurer Luxus, den wir uns nicht leisten sollten. Discuss it hat sich deshalb gefragt: Wie kommt es zu dieser Abstimmung, weshalb wurde das Referendum ergriffen und warum will der Bundesrat überhaupt neue Kampfflugzeuge kaufen?

Die Vorlage im Detail

Die Schweizer Armee ist nicht nur auf dem Boden tätig, sondern auch in der Luft. Dort hat sie die Aufgabe, Grossveranstaltungen wie das WEF in Davos zu schützen, die Einhaltung der Luftverkehrsregeln mittels der Luftpolizei zu überprüfen, unerlaubtes Überfliegen des Schweizer Luftraums durch ausländische Armeen zu verhindern und im Fall von Terroranschlägen oder anderen bewaffneten Konflikten den Luftraum zu verteidigen.

Aktuell erfüllt die Luftwaffe diese Aufgaben mit den F/A-18-Kampfjets, die aber bis ins Jahr 2030 so veraltet sein werden, dass sie nicht mehr eingesetzt werden können. Ausserdem besitzt die Schweizer Armee noch F5-Tiger-Kampfjets, die über 40 Jahre alt sind und nur noch zur Ausbildung von Pilotinnen und Piloten verwendet werden, unter anderem, weil sie nur noch tagsüber und bei guter Sicht starten dürfen. Deshalb hat der Bundesrat dem Parlament den Planungsbeschluss über die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge vorgelegt.

Dort ist festgehalten, dass neue Kampfflugzeuge mit maximalen Anschaffungskosten von sechs Milliarden Franken gekauft werden sollen, die bis spätestens im Jahr 2030 einsatzbereit stehen müssen. Zudem ist festgehalten, dass mindestens 60% des Kaufpreises für die Flugzeuge als Aufträge an Unternehmen in der Schweiz vergeben werden müssen, um die Schweizer Industrie zu stärken. Dabei soll auch den verschiedenen Sprachregionen Rechnung getragen werden, indem die Aufträge und somit auch die finanzielle Entschädigung proportional zum Bevölkerungsanteil auf die deutschsprachige (65%), die französischsprachige (30%) und die italienischsprachige (5%) Schweiz verteilt werden.

Erneutes Referendum der GSoA

Das Parlament hat dem am 26. Juni 2019 vom Bundesrat vorgelegten Planungsbeschluss über die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge mit 123 zu 68 Stimmen im Nationalrat (bei 5 Enthaltungen) und 33 zu 10 Stimmen im Ständerat (bei einer Enthaltung) zugestimmt. Um der Bevölkerung trotzdem die Möglichkeit zur Mitsprache zu geben, wurde entschieden, dass der Beschluss dem fakultativen Referendum unterliegen soll, was bei Beschaffungsgeschäften normalerweise nicht der Fall ist. So hat die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) zusammen mit der SP und den Grünen erfolgreich das Referendum ergriffen, indem sie innerhalb von 100 Tagen über 50’000 Unterschriften gegen den Beschluss gesammelt haben. Deshalb liegt das letzte Wort nun bei der Schweizer Stimmbevölkerung.

Die GSoA hat bereits im Jahr 2013 das Referendum gegen das Bundesgesetz über den Fonds zur Beschaffung des Kampfflugzeugs Gripen ergriffen und hat es geschafft, den Kauf neuer Kampfflugzeuge mit 53,4% Nein-Stimmen zu verhindern. Das gewinnende Argument damals waren nicht nur die 3,1 Milliarden Franken Anschaffungskosten, sondern auch die Wahl der Kampfflugzeuge Gripen, die leistungsschwächer waren als die damals genutzten F/A-18-Jets. Der Bundesrat scheint aus diesem Ergebnis gelernt zu haben, denn in der neuen Vorlage wird die Entscheidung über Anzahl und Modell der Kampfflugzeuge Experten überlassen. Ausserdem wären bei den Gripen jährlich 300 Millionen Franken in einen Fonds zu ihrer Finanzierung geflossen, während die Flugzeuge diesmal komplett aus dem Armeebudget bezahlt werden sollen.

Das sagt das Referendumskomitee

Kampfflugzeuge haben aber nicht nur Anschaffungskosten, auch ihre Instandhaltung und Wartung kosten Geld. Das Referendumskomitee hat ausgerechnet, dass die neu gekauften Jets so insgesamt 24 Milliarden Franken kosten sollen, die Berechnungen des Bundesrats kommen auf 18 Milliarden Franken. In beiden Fällen sind die Folgekosten der Anschaffung für das Referendumskomitee zu hoch. Sie argumentieren, dass diese Milliarden besser an anderen Stellen wie der Gesundheit oder dem Klimaschutz eingesetzt werden sollen. So findet auch Lewin Lempert von der GSoA: «Gerade in der aktuellen Coronakrise ist höchst fragwürdig, ob wir uns diese Flugzeuge leisten wollen. Denn aktuell geht es in unseren Augen vielmehr darum, dass unsere Wirtschaft läuft und dass niemand seinen oder ihren Job verliert.»

Das Referendumskomitee findet ausserdem, dass die falschen Flugzeuge für die geplante Verwendung in Betracht gezogen werden. Obschon die Entscheidung über die definitiven Modelle beim Bundesrat und Parlament liegt, ist bekannt, welche Flugzeuge überhaupt für die Luftwaffe der Schweizer Armee infrage kommen. «Aktuell sind nur sogenannte Hochleistungskampfjets auf dem Tisch, die dazu gemacht werden, um Krieg zu führen, anstatt für die Aufgaben, die sie in der Schweiz erfüllen sollen. Dazu könnten auch leichtere Kampfflugzeuge angeschafft werden, die viel günstiger und ökologischer sind», so Lewin Lempert. Die vom Referendumskomitee bevorzugten leichteren Kampfjets seien vom Expertenteam allerdings gar nicht geprüft worden. Deshalb sprechen sich die SP, die Grünen und die GSoA gegen den Planungsbeschluss über die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge aus.

Das sagen die Befürwortenden

Der Bundesrat argumentiert, dass die Anschaffung neuer Kampfjets dringend nötig sei, da die F/A-18-Kampfflugzeuge, die bisher im Einsatz sind, ab 2030 aufgrund ihres Alters nicht mehr zu gebrauchen sein werden. Die vom Referendungskomitee vorgeschlagenen Jets würden dabei nicht den Ansprüchen und Anforderungen einer modernen Luftwaffe gerecht. Doch eine Überwachung und Sicherung des Schweizer Luftraums sei weiterhin essenziell, um die Sicherheit der Schweiz zu gewährleisten und ihre Neutralität zu stärken. Dem stimmt auch Ida Glanzmann-Hunkeler, die für die CVP im Nationalrat sitzt, zu: «Ich sage aus Überzeugung Ja zu dieser Luftwaffe, denn ich finde, dass die Sicherheit aus der Luft gewährleistet bleiben muss und dass wir auch in Zukunft eine funktionstüchtige Luftwaffe haben müssen.» Ohne Kampfflugzeuge könne der Schweizer Luftraum und somit die gesamte Schweiz nicht länger gesichert werden. 

Ausserdem argumentieren die Befürwortenden, dass die sechs Milliarden Anschaffungskosten aus dem Armeebudget stammen und das Geld somit nicht zulasten anderer Bundesaufgaben ginge. Im Gegensatz zu den Gripen, bei denen die vom Bund jährlich eingezahlten 300 Millionen Franken auch für andere Budgetposten hätten ausgegeben werden können, bliebe das Geld hier in jedem Fall bei der Armee. Der Bund müsse also keine zusätzliche Finanzierung leisten. Wird die Vorlage abgelehnt, könne die Armee weiterhin über die sechs Milliarden Franken verfügen, da das Geld nicht vom Bund an andere Stellen umverteilt werden dürfe: «Wenn es ein Nein gibt, dann bleibt das Geld so oder so bei der Armee, das Budget wird nicht verkleinert und es kommt auch nicht anderen Bereichen zugute», so Ida Glanzmann-Hunkeler.

Du entscheidest

Soll die Schweiz sechs Milliarden Franken für neue Kampfflugzeuge ausgeben, um ihre Sicherheit und Neutralität zu gewährleisten, oder sind die Jets über ihre Lebensdauer hinweg ein unnötiger Luxus, den wir uns gerade in Krisenzeiten nicht leisten können? Das bestimmst unter anderem Du! Informier dich über die Vorlagen und stimme am 27. September ab.

Alle Aussagen von Ida Glanzmann-Hunkeler und Lewin Lempert findest du im Video über diesem Blogbeitrag.

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Erstellt von Alina Zumbrunn