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31. August 2021

Mogelpaket oder soziale Gerechtigkeit? Die 99%-Initiative im Detail

Am 26. September wird über die 99%-Initiative der JUSO abgestimmt, welche die Besteuerung von hohen Kapitaleinkommen neu regeln will. Discuss it hat mit Nicola Siegrist (JUSO ZH) und Yannick Berner (FDP AG) gesprochen. Im heutigen Blog fassen wir die zentralen Punkte der Abstimmungsvorlage für euch zusammen.

In knapp einem Monat stimmt die Schweizer Stimmbevölkerung nebst der «Ehe für alle» auch über die 99%-Initiative ab. Diese möchte eine weiter ansteigende Vermögensungleichheit verhindern, indem sie Kapitaleinkommen höher besteuert und die Mehreinnahmen an die unteren “99% der Bevölkerung” umverteilt – wie dies die Initant:innen meinen. Die genaue Ausgestaltung und Umsetzung der Initiative ist aber noch offen. Im Vorfeld der Abstimmung finden hitzige Diskussionen und ein Schlagabtausch von einander diametral gegenüberliegenden Argumenten statt. 

Was verlangt die Initiative? 

Die Volksinitiative «Löhne entlasten, Kapital gerecht besteuern» strebt eine höhere Umverteilung durch eine stärkere Besteuerung grosser Kapitaleinkommen von natürlichen Personen an. Die bisherige Umverteilung geht den Initiant:innen zu wenig weit, weshalb sie die stärkere Besteuerung von Kapitaleinkommen fordern. 

Zunächst muss erwähnt werden, dass der Begriff “Kapitaleinkommen” juristisch nicht klar definiert ist – weder in der Verfassung noch im Gesetz. Zumeist versteht man darunter aber u.a. Mieteinnahmen, Zinsen oder Dividenden – also Gewinne, welche mit angelegtem Kapital erwirtschaftet werden. Ab einem (noch) zu bestimmenden Freibetrag würde dieses Kapitaleinkommen dann stärker gewichtet. Die dadurch generierten Mehreinnahmen sollen Steuerermässigungen für tiefere und mittlere Einkommensschichten oder mehr soziale Wohlfahrt realisieren. Die Initiative ist hier relativ offen  formuliert, was dem Parlament bei einer Annahme der Vorlage viel Raum für Interpretation liesse, so auch beim erwähnten Freibetrag.

Die Initiative schlägt einen Freibetrag von 100’000 Franken Kapitaleinkommen vor, alles darüber sollte 1.5-fach belastet werden. Ein Beispiel: Erhält eine natürliche Person 150’000 Franken Kapitaleinkommen, werden die ersten 100’000 Franken wie bisher versteuert. Die restlichen 50’000 Franken müssten jedoch 1.5-fach gewichtet werden (also: 1.5×50’000.- = 75’000.-), was schlussendlich zu einem Betrag von 175’000 Franken führt, der versteuert werden muss. 

Was sagen die Befürworter:innen? 

«Es ist so, dass Kapitaleinkommen, das an das reichste Prozent der Bevölkerung fliesst, in erster Linie von den 99% erarbeitet wird. […] Wir wollen, dass die 99%, die diese Arbeit leisten, mehr davon haben, was sie erarbeitet haben. Daher wollen wir das reichste Prozent stärker besteuern und mit dem Geld die 99% entlasten.» Mit diesen Worten erklärt Nicola Siegrist (JUSO ZH) die Motivation hinter der 99%-Initiative und den Grund, wieso für mehr Gerechtigkeit gesorgt werden müsse. Die Mehreinnahmen sollen beispielsweise einen Leistungsausbau beim Service Public  (öV, Kinderbetreuung, Krankenkassenprämien) oder Steuersenkungen für tiefere Einkommensgruppen ermöglichen.

Das Argument der Gegner:innen, dass die Initiative der Schweizer Wirtschaft schade, lässt Jungsozialist Siegrist nicht gelten: «Die meisten Ökonom:innen gehen davon aus, dass der Wirtschaftsstandort über die [höhere] Kaufkraft gestärkt wird.» Das Ja-Komitee schreibt diesbezüglich, dass eine Rückverteilung die Kaufkraft der Bevölkerung steigern würde, was schlussendlich lokalen Geschäften zugute käme. 

Was sagen die Gegner:innen? 

Yannick Berner (FDP AG) aus dem Lager der Gegner:innen sieht dies anders: «Die 99% sind reine Polemik. Es ist Polemik, es ist ein unnötiger Klassenkampf, der da hochbeschworen wird, reich gegen arm. Die 99% suggerieren vor allem, dass nur 1% betroffen ist von der Initiative, was einfach nicht stimmt, es sind ganz viele mehr betroffen. Ich würde sogar behaupten, dass alle betroffen sind, direkt oder indirekt.» Das Nein-Komitee argumentiert nämlich, dass die neue Steuer Familienunternehmen und Startups besonders hart treffen würde. Durch die höheren Ausgaben fehle das Geld später bei Innovationen und der Schaffung von Arbeitsplätzen, wodurch am Ende die ganze Gesellschaft betroffen wäre. Auch gefährde ein Generationswechsel innerhalb einer Familienfirma die finanzielle Grundlage des Unternehmens, da ihm Mittel entnommen werden müssten, um die Steuern zu begleichen. Das alles schade dem Wirtschaftsstandort Schweiz erheblich.

Grundsätzlich sei die Initiative das falsche Mittel, findet Yannick Berner. Denn die Kantone würden nach wie vor unterschiedliche Steuersätze haben. «Dieses Problem wird nicht gelöst mit der Initiative, es wird eine zusätzliche Steuer eingeführt, die am Ende die Allgemeinheit bezahlen muss. All die müssen sie bezahlen, die jetzt schon Risiken eingehen und in den Arbeitsplatz Schweiz investieren.» Eine weitere Befürchtung der Gegner:innen ist auch, dass eine Annahme der Initiative das Wegziehen vieler vermögender Personen zur Folge hätte. 

Die Position von Bundesrat und Parlament 

Sowohl Bundesrat als auch beide Kammern des Parlaments lehnen die Initiative ab. Während die SP, GPS und EVP die Ja-Parole beschlossen haben , sprachen sich die Mitte, SVP, FDP und GLP gegen die Initiative aus. Eine GfS-Umfrage von Anfang August ergab eine Zustimmung von 46% sowie eine Ablehnung von 45% der Befragten. Wie sich diese Patt-Situation entwickelt, ist jetzt noch offen. 9% waren zu diesem Zeitpunkt noch unentschlossen – sie werden folglich das Zünglein an der Waage sein.

Und was hältst du von der Initiative? Sollen hohe Kapitaleinkommen künftig stärker besteuert werden, damit sich die Schere zwischen Arm und Reich nicht noch weiter öffnet, oder schadet eine solche Steuer dem Wirtschaftsstandort Schweiz zu sehr? Schreib uns deine Meinung in die Kommentare!


Alle Aussagen der in diesem Artikel vorkommenden Personen findest du im Video über diesem Beitrag.




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Erstellt von Sophie Ruprecht