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14. Juli 2021

Plagiatsaffären – Stolpersteine für Politiker:innen?

Am 26. September findet in Deutschland die Bundestagswahl statt und da Angela Merkel (CDU) nach vier Amtszeiten auf eine weitere Kandidatur um das Bundeskanzleramt verzichtet, gibt es nach 16 Jahren auch einen (personellen) Wechsel an Deutschlands politischer Spitze. Doch das Rennen um das freiwerdende Amt wird neuerdings von einem Plagiatsvorwurf überschattet. Was ist genau geschehen? Hat die Schweiz ähnliche Fälle erlebt? Discuss it informiert.

Im September wählt Deutschland ihren neuen Bundestag, der wiederum die Nachfolge von Angela Merkel regelt. In den Ring um das freiwerdende Kanzleramt steigen für die Union Armin Laschet (CDU), Olaf Scholz (SPD) und für die Grünen Annalena Baerbock. Nun wurden vor einigen Wochen Plagiatsvorwürfe gegen Annalena Baerbock geäussert, welche die Grüne-Politikerin stolpern lassen könnten. Doch was wird ihr genau vorgeworfen?

Urheberrechtsverletzungen im neuen Buch?

Stefan Weber, ein österreichischer Medienwissenschaftler, hat sich mit seiner Suche nach Plagiaten und seinen öffentlich geäusserten Plagiatsvorwürfen einen Namen gemacht. Er beschuldigt Annalena Baerbock, in ihrem im Juni neu erschienenen Buch abgeschrieben zu haben. Seiner Meinung zufolge seien Textplagiate – auch wenn sie in einem nicht akademischen Text auftreten – ethisch nicht korrekt. So veröffentlicht er in seinem Blog verschiedene Textpassagen, die Ähnlichkeiten mit anderen Veröffentlichungen aufweisen.
Ein Sprecher der Grünen, der Medienanwalt Schertz – der von Annalena Baerbock engagiert wurde – wie auch der Ullstein-Verlag dementieren die Vorwürfe von Stefan Weber. Der Sprecher der Grünen spricht gar von versuchter Rufschädigung. Was entspricht der Wahrheit?

Die Plagiatsvorwürfe sind jedoch nicht die einzigen Sorgen Annalena Baerbocks. Denn neben Stefan Weber hatten zuvor bereits verschiedene Journalist:innen auf Ungenauigkeiten im Lebenslauf der Grünen-Politikerin aufmerksam gemacht, woraufhin bereits mehrfach Anpassungen vorgenommen worden waren.

Was ist ein Plagiat?

In Annalena Baerbocks Fall handelt es sich zwar nicht um eine wissenschaftliche Arbeit, sondern um ein Sachbuch. Doch wie wird ‹Plagiat› im wissenschaftlichen Rahmen definiert?

Schaut man sich die Definition der Disziplinarkommission der Universität Zürich an, so heisst es dort: «Ein Plagiat ist die ganze oder teilweise Übernahme eines fremden Werks ohne Angabe der Quelle, welche Rückschluss auf den Urheber oder die Urheberin des fremden Werks gibt.»

Plagiatsvorwürfe, wie sie gegen Annalena Baerbock ausgesprochen wurden, sind schon mehrfach gegen verschiedenste Deutsche Politiker:innen erhoben worden. Zum Teil führten sie – nach sorgfältiger Überprüfung – zum Entzug akademischer Titel und in der Folge zum ‹Begräbnis› von politischen Karrieren. Andere Anschuldigungen konnten nicht verifiziert werden und hatten demnach keine einschneidenden Karrierefolgen. Welche berühmten Deutschen Fälle gibt es?

Zu Guttenberg, Giffey, Schavan, von der Leyen

Die Plagiatsaffäre mit dem wohl grössten Ausmass war diejenige um Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) im Jahr 2011. In der Dissertation des früheren Bundesverteidigungsministers wurden etliche Textpassagen gefunden, die das Urheberrecht verletzen. Dies führte dazu, dass ihm die Universität Bayreuth die Doktorwürde aberkannte, woraufhin Karl-Theodor zu Guttenberg von seinem politischen Amt zurücktrat. Doch dies ist kein Einzelfall in der deutschen Politik:
So wurde beispielsweise in diesem Jahr auch Franziska Giffeys (SPD) Doktorwürde von der Freien Universität Berlin entzogen. Auch trat sie von ihrem Amt als deutsche Familienministerin zurück. Die gleichen Konsequenzen zog 2013 Annette Schavan (CDU) – nachdem ihr die Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf aufgrund vorsätzlicher Täuschung die Doktorwürde entzog – und machte den Platz als Bundesbildungsministerin darauf frei.

Bei Ursula von der Leyen (CDU), der heutigen Präsidentin der Europäischen Kommission, lief die Affäre anders ab. Zwar wurden auch bei ihr im Jahr 2015, als sie noch Verteidigungsministerin war, Plagiatsvorwürfe erhoben. Doch nachdem die Medizinische Hochschule Hannover die Dissertation noch einmal überprüfte, stellte diese zwar ein Plagiat fest, ohne jedoch eine Täuschungsabsicht dahinter zu erkennen. Somit konnte Ursula von der Leyen ihre Doktorwürde behalten und ihre politische Karriere ohne Rücktritt weiterverfolgen.

Angesichts dieser Fälle scheint die Frage erlaubt: Kennt auch die Schweizer Politik Plagiatsaffären?

Fragwürdige Doktortitelvergaben, Entzug des Master of Advanced Studies

Auch die Schweiz kennt Plagiats- und Doktortitelaffären. Nachdem der ehemalige Nationalrat Christoph Mörgeli (SVP) 2012 von der Universität Zürich per sofort freigestellt wurde, gab es 2013 gegen den Medizinhistoriker Vorwürfe, dass er Medizindoktorierenden zu ‹zu einfachen› Doktortiteln verholfen habe. Die Universität Zürich beauftragte daraufhin ein Expertengremium, welches die medizinhistorischen Dissertationen von 2002-2012 untersuchte. Das Gremium kam zum Schluss, «dass ein beträchtlicher Teil der Dissertationen mangelhaft war und wissenschaftlichen Standards nur knapp entsprachen.»
Christoph Mörgeli wehrte sich damals gegen die Freistellung der Universität Zürich sowie gegen den Vorwurf der vereinfachten Doktortitelvergabe. Er selber sah sich als Opfer einer politischen Kampagne gegen seine Person.

Eine Plagiatsaffäre löste Nationalrätin Doris Fiala (FDP) mit ihrer Abschlussarbeit für einen Master of Advances Studies (MAS) an der ETH Zürich aus. 2013 wurden Plagiatsvorwürfe laut, die dazu führten, dass die ETH Zürich ein Expertengutachten anfertigen liess und ihr den MAS-Titel daraufhin aberkannte. Dies kommunizierte die ETH Zürich in einer Medienmitteilung. Doris Fiala wurde es jedoch erlaubt, eine neue Arbeit zu verfassen; zudem konnte sie ihre politische Laufbahn wie Ursula von der Leyen ohne grösseren Karriereknick weiterverfolgen.

Joe Biden: ein ehemaliger Plagiator

Plagiatsaffären sind keinesfalls blosse europäische Erscheinungen. So stolperte beispielsweise auch der amtierende US-Präsident Joe Biden einst über eine Plagiatsaffäre. Bereits 1988 hatte er die Ambitionen, das Präsidentenamt zu bekleiden. Als aber aufgedeckt wurde, dass seine Wahlkampfansprache fast identisch wie die Rede eines britischen Politikers war, waren seine Chancen auf das Amt dahin. Im Zuge dieser Aufdeckung gestand Joe Biden ebenfalls, dass er während seines ersten Semesters am Syracuse University Collage of Law eine wissenschaftliche Arbeit plagiiert habe.

Wird zu wenig kontrolliert?

Weshalb kommt es zu solchen Plagiatsaffären? Wie konnte es zu den eher fragwürdigen Doktortitelvergaben an der Universität Zürich rund um Christoph Mörgeli kommen? Wieso hat die ETH Zürich die ungenügend wissenschaftliche Arbeit von Doris Fiala nicht bereits bei der Erstkontrolle erkannt? Funktionieren die Plagiatskontrollen an Schweizer Universitäten? Wie funktionieren die Plagiatskontrollen an Schweizer Universitäten? Gibt es Plagiatskontrollen auch an den Berufsschulen / Maturitätsschulen?

Schaut doch einmal, ob ihr herausfindet, wie eure Schule / Universität mit Plagiaten umgeht und wie sie diese erkennen und herausfiltern möchten. Werden alle Abschlussarbeiten mit einer Plagiatserkennungssoftware durchleuchtet? Teilt uns doch eure Rechercheresultate mit, wir sind sehr gespannt!

(Wir haben euch die Informationen für die Universität Zürich herausgesucht. Lest hier gerne nach, falls es euch interessiert.)

Erstellt von Manuel Bucher