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28. Juni 2023

Vapen: Ja, nein, manchmal?

Bunt, fruchtig, handlich und gesünder als Zigaretten? Eine Expertin im Bereich der Suchtprävention in der Schweiz beantwortet uns 3½ Fragen zum Vapen.

Seit 2007 ist der Anteil der Schweizer*innen, die Tabak konsumieren auf einem hohen Niveau von ca. 28 % relativ stabil. Tabak ist beispielsweise in herkömmlichen Zigaretten enthalten. Deutlich geringer ist der Anteil der Schweizer Bevölkerung, die E-Zigaretten konsumieren: “2022 nutzten 3% der Schweizer Bevölkerung mindestens einmal im Monat E-Zigaretten.” Wenn wir uns jedoch die Rate der zwischen 15- und 24-jährigen Schweizer*innen anschauen, die E-Zigaretten nutzen, liegt diese bei 5,7 % und hat eine steigende Tendenz. Die Zahlen bei den 15-Jährigen sind nochmal deutlich höher, wie eine Befragung von 11- bis 15- Jährigen 2022 ergeben hat: Während 2018 noch 12,9 % der 15-jährigen Mädchen mindestens einmal im Monat E-Zigaretten konsumierten, sind es 2022 bereits 25 %. Bei den Jungen hat sich der Anteil von 20,6 % auf 25,1 % erhöht. Durch den Konsum besteht ein erhöhtes Risiko, im weiteren Leben von anderen Substanzen abhängig zu werden. Wir haben uns deswegen gefragt, warum Gummibärchen und der «Watermelon Sugar Hai», die nikotinfreie Imitation einer E-Zigarette für Kinder, sich nicht nur in ihrem bunten Aussehen und ihrem fruchtigen Geschmack gleichen, sondern auch beide unter das Lebensmittelgesetz fallen und damit auch von Kindern und Jugendlichen legal erworben werden können. Stephanie Unternährer, Projektleiterin bei der Zürcher Fachstelle zur Prävention des Suchtmittelmissbrauchs, beantwortet uns ein paar Fragen dazu. 

«Sind Vapes weniger schädlich als Zigaretten? Und enthalten Vapes Nikotin?» 

«Nach aktuellem Wissensstand ist Vapen weniger gesundheitsschädlich als das Rauchen von herkömmlichen Zigaretten, da der Inhalt «nur» verdampft und nicht verbrannt wird. Jedoch sind die Auswirkungen der Chemikalien im Dampf der Vapes noch unvollständig erforscht. Damit die Vapes entsprechend lecker z. B. nach Erdbeere, Vanille oder Wassermelone schmecken, werden sie mit vielfältigen Aromastoffen versehen. Diese sind bisher nur für den Verzehr getestet, also für Lebensmittel. Welche langfristigen Auswirkungen diese Stoffe auf den Körper haben, wenn man sie inhaliert, ist noch weitgehend unbekannt. 

In der Schweiz gibt es Vapes mit und ohne Nikotin. Jedoch muss man diese ohne Nikotin inzwischen fast schon suchen gehen. Die allermeisten Vapes enthalten die maximal erlaubte Menge an Nikotin, nämlich 2mg/ml. Nikotin ist eine Substanz mit enormem Suchtpotenzial – insbesondere für Jugendliche. Allein dieser Fakt wäre ein guter Grund, um mit dem Vapen aufzuhören oder gar nicht erst damit zu beginnen. Vapes und E-Zigaretten können zwar Raucher*innen helfen, sich das Rauchen abzugewöhnen, sollten aber nicht als Einstiegsmittel in eine Nikotinsucht dienen.»

«Sollte die Politik Ihrer Meinung nach aktiver die Gesundheit von Jugendlichen im Bereich Vapen schützen? Falls ja, was wünschen und fordern Sie?»

«Vor einigen Wochen hat ein Satiremagazin von SRF eine Fake-Webseite namens «KidzCloudz™» aufgeschaltet, auf der Vapes für Kinder angepriesen wurden, welche bei ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts/ Hypoaktivitäts-Störung) und Einschlafschwierigkeiten helfen sollen. Sie wollten damit Schockprävention betreiben. Wir von der Prävention sind zuerst darauf hineingefallen und waren ziemlich aus dem Häuschen, haben alle Hebel in Bewegung gesetzt, um das zu verbieten. Das Schockierende aber war, dass – wenn kein Fake – wir rechtlich gar nichts hätten unternehmen können gegen einen solchen Anbieter. Und dies, weil die Vapes bis jetzt im Kanton Zürich und vielen anderen Kantonen unter das Lebensmittelgesetz fallen und frei verkäuflich an Kinder und Jugendliche sind. Von daher: Ja, die Politik sollte dringend aktiv werden in dieser Sache. 

Wenn man die Politik in Bezug auf das Vapen in der Schweiz mit anderen Ländern vergleicht, hinken wir stark hinterher. In Australien beispielsweise sind Vapes nur noch in Apotheken und für Menschen zugänglich, die mit dem Rauchen von Zigaretten aufhören wollen.

Mit dem neuen Tabakproduktegesetz, das voraussichtlich per Mitte 2024 in Kraft tritt, sollen gewisse Regelungen verändert und ein schweizweites Abgabeverbot an unter 18-Jährige erlassen werden. Auch Werbung für die Produkte wird zukünftig eingeschränkt und Steuern auf die Produkte erhoben.» 

Das Tabakproduktegesetz wurde bereits im Oktober 2021 vom Parlament angenommen und verabschiedet, jedoch ging es einigen Gesundheitsfachleuten in Sachen Jugendschutz nicht weit genug. So entstand in den Monaten danach die Initiative «Ja zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Tabakwerbung», die 2022 dann auch vom Volk und den Kantonen angenommen wurde. Das Tabakproduktegesetz wurde daraufhin bearbeitet und der Bundesrat hat dieses im Mai 2023 zuhanden des Parlaments auch verabschiedet. Nach aktuellem Stand wird es Mitte 2024 in Kraft treten. Neuerungen betreffen dann zunächst den Verkauf. Konkret heisst das: Der Verkauf und der Konsum aller Tabakprodukte, auch E-Zigaretten, ist in einem Gesetz geregelt und in der gesamten Schweiz dürfen diese Produkte erst an Menschen ab 18 Jahren verkauft werden. Parallel wird das Gesetz derzeit weiter überarbeitet (Revision). Regelungen, die dann ab ca. Mitte 2025 in Kraft treten werden, betreffen die Werbung: So sollen Tabakprodukte und E-Zigaretten in Printmedien, auf Festivals und unter bestimmten Bedingungen auch im Internet nicht mehr beworben werden dürfen. Mehr aktuelle Infos findest du über das Bundesamt für Gesundheit.

«Jedoch stellt sich die Frage, ob diese Einweg-Produkte nicht ganz verboten werden sollten. Denn ein weiteres Problem ist, dass Einweg-Vapes enorm umweltschädlich sind. Sobald die Liquids aufgebraucht sind, wirft man diese weg, meist unsachgemäss in den Hausmüll. In jeder Vape hat es eine Lithium-Ionen-Batterie. Durchschnittlich wirft man mit 10 Vapes einen Smartphone-Akku weg (je nach Vape und Smartphone variiert dieser Vergleich). Die Ressourcenverschwendung ist enorm und ist so eigentlich nicht mehr haltbar.»

«Was empfehlen Sie, wenn jemand mit dem Vapen stoppen möchte?»

«Die Vape-Industrie ist clever und hat es geschafft, den Produkten durch ihr Aussehen und die Werbung auf Social Media einen coolen Touch zu verleihen. Ihr Ziel ist es, u. a. junge Menschen abhängig zu machen und damit Geld zu verdienen. Wenn du mehr darüber wissen willst, was Vapen für dich, deine Gesundheit und die Umwelt bedeutet, schau auf feel-ok.ch vorbei. In Kürze: Du tust dir viel Gutes, wenn du dich von deiner Nikotinsucht befreist. Hier ein paar Tipps, wie das gelingen kann:

  • Wichtig ist, dass du dir bewusst wirst, WARUM du mit dem Vapen aufhören willst. Definiere DEINEN Grund, der dich motiviert, mit dem Dampfen aufzuhören. Je bewusster du dir den Vorteilen bist, desto motivierter wirst du sein.
  • Mache einen klaren Schnitt: Es ist einfacher ganz aufzuhören, als schrittweise die Dosis zu verringern.
  • Überlege dir, was schwierige Situationen sein könnten, in denen du ein starkes Verlangen spüren wirst. Zum Beispiel beim Ausgehen oder beim Chillen mit Freund*innen.
  • Überlege dir dann, was du in diesen Momenten tun kannst, um zu widerstehen (Kaugummi kauen, darüber reden, Musik hören, jemandem schreiben, aus der Situation weggehen, etc.).
  • Wie fühlt sich dein Vape-freies Selbst an, wo spürst du eine Veränderung? Wie siehst du aus? Wie bewegst du dich? Wie wirkst du auf andere? Wie geht es dir? Es hilft, sich in schwierigen Situationen wieder an diese Bilder zu erinnern und Motivation daraus zu ziehen.

Ich wünsche dir ganz viel Erfolg, Durchhaltewillen und Freude dabei!»

«Welche Angebote, Initiativen oder Programme gibt es in der Schweiz, die Schulen zu sich einladen können, wenn sich die Schüler*innen im Klassensetting mit den Themen «Vapen und Rauchen» auseinandersetzen wollen?»

«Sehr zu empfehlen ist unsere Coaching-App «ready4life», die sich direkt an Jugendliche und junge Erwachsene richtet und wo man neben Vapen/Rauchen auch weitere Themen wie Sozialkompetenz, Social Media & Gaming, Alkohol und Cannabis bearbeiten kann. Ein Chatbot coacht dich zu den selbst gewählten Themen, beim Tabak/Nikotin gibt es die Möglichkeit eines intensiveren Coachings zur Unterstützung zum Rauch-/Vapestopp. In der Chat-Funktion «Ask the Expert» beantworten reale Fachpersonen deine individuellen Fragen und fordern dich mit Anreizen zur Verhaltensänderung heraus. 

Ebenfalls lohnt es sich für dich sowie auch für Lehrpersonen und Eltern auf der Webseite www.feel-ok.ch vorbeizuschauen. Dort finden sich vielfältige Informationen zum Vapen und Rauchen, Unterrichtsvorschläge, Quizze, Selbsttests und vieles mehr. Viel Spass!»

Und jetzt DU! Wie ist deine Meinung?

Was hältst du vom Vapen? Ist die Annahme und Sorge, dass sich damit bereits bei jungen Menschen ein Suchtverhalten einschleicht, deiner Meinung nach übertrieben? Oder hältst du das veränderte Tabakproduktegesetz für angemessen? Fehlen dir noch Infos und möchtest du das Thema im Schulunterricht stärker oder überhaupt mal besprechen? Dann mach deine Lehrperson darauf aufmerksam!

Erstellt von Judith Boll