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12. Juli 2023

Im Herzen der Demokratie: So arbeitet eine Stimmenzählerin

Wäre Wahlbetrug in der Schweiz möglich? Was braucht es, damit der demokratische Prozess funktioniert? Als Stimmenzählerin kann Jus-Studentin Myriam Sager diese Fragen aus eigener Erfahrung beantworten.

Bevor Myriam ihren Einsatz antritt, muss sie all ihre Sachen am Eingang abgeben. Jacke, Handtasche und vor allem das Handy. Keine Information darf nach draussen dringen, das ist eine der obersten Regeln. Am Abstimmungswochenende ist die Turnhalle im Zürcher Stadtteil Seebach eine in sich geschlossene Welt – ein kleiner Kosmos, der nach festgelegten Abläufen funktioniert.

Myriam ist Stimmenzählerin. Ein Job, den sie seit mehr als fünf Jahren neben dem Jus-Studium ausübt. Angefangen hat sie als einfache Stimmenzählerin. Mittlerweile ist die 26-Jährige in eine Kaderposition aufgestiegen und hat die Aufsicht über einen ganzen Tisch von Stimmenzähler:innen. Dafür wurde sie vom Zürcher Stadtparlament gewählt – auf Vorschlag des Kreiswahlbüros und auf Antrag der Stadtkanzlei.

Damit ist Myriam Teil einer riesigen, durchgetakteten Maschinerie, die gewährleistet, dass die Schweizer Stimmbevölkerung ihre demokratischen Rechte ausüben kann. «Hinter jeder Abstimmung und Wahl steckt ein riesiger Aufwand, der oft unsichtbar bleibt», sagt Myriam. Sie selbst sei froh, durch ihr Engagement hinter die Kulissen der Demokratie zu sehen.

Die meisten Stimmenzähler:innen teilen die Grundeinstellung, dass es wichtig ist, sich für die Demokratie einzusetzen. Nicht nur im idealistischen, sondern auch im praktischen Sinne: Ohne die ausgefeilte Planung und Organisation würden die demokratischen Prozesse nicht funktionieren. Dabei ist für Myriam auch Vertrauen ein wichtiges Stichwort: «Die Bevölkerung muss dem Prozess vertrauen, sonst funktioniert die Demokratie nicht.»

Wieso Wahlbetrug kaum möglich wäre

Damit alles möglichst reibungslos abläuft, ist die Auszählung bis ins letzte Detail reglementiert. Myriam sagt mit Überzeugung: «Aus meiner Erfahrung sehe ich kein Potenzial für einen Wahlbetrug.» Alles wird doppelt und dreifach geprüft: Die Anzahl Stimmen wird von unterschiedlichen Personen kontrolliert; ausgezählte Stimm- und Wahlzettel werden versiegelt, damit sie nicht mehrfach gezählt oder wieder herausgenommen werden; am Ende bürgen jeweils mindestens zwei Aufsichtspersonen im Vieraugen-Prinzip mit ihrer Unterschrift, dass alles stimmt. Allfällige Fehler können genau zugeordnet werden.

Das ist auch deshalb sehr wichtig, weil ein verfälschtes Resultat sehr schwer rückgängig zu machen wäre. «Man kann eine Abstimmung nicht unter gleichen Bedingungen wiederholen», sagt Myriam. Mal ganz abgesehen vom enormen finanziellen und organisatorischen Aufwand, den eine Wiederholung bedeuten würde: Es gehen nie wieder genau die gleichen Leute an die Urne, es vergeht Zeit, die den politischen Diskurs ändern kann – kurz: Es herrschen nicht mehr die identischen Bedingungen.

So wirst du Stimmenzähler:in

Für die Arbeit als Stimmenzähler:in braucht es laut Myriam keine besonderen Vorkenntnisse. Wichtig sei es aber, dass man zuverlässig und genau arbeite. Wie man Stimmenzähler:in wird, ist je nach Kanton und Gemeinde sehr unterschiedlich. An manchen Orten werden die Zähler:innen generell von den Parteien gestellt. In der Stadt Zürich läuft es dagegen folgendermassen: Als Hilfspersonen können Jugendliche ab dem 16. Geburtstag mitarbeiten. Gewählte Stimmenzähler:innen wie Myriam müssen volljährig und in der Stadt Zürich stimmberechtigt sein. In Zürich verdienen sie, je nach Position, zwischen 30 und 40 Franken pro Stunde. Sie werden vor dem Abstimmungs- oder Wahlwochenende per Mail aufgeboten.

Darin steht jeweils, ob sie am Samstag oder Sonntag oder an beiden Tagen benötigt werden und um welche Uhrzeit ihr Einsatz beginnt. Bis wann der Einsatz dauert, ist laut Myriam oft schwieriger abzuschätzen. Dies liegt hauptsächlich daran, dass die Stimmbeteiligung und die Anzahl an Geschäften von Urnengang zu Urnengang variiert.

Bei eidgenössischen Abstimmungsvorlagen müssen spätestens bis am Sonntag um 15.30 Uhr alle Stimmen ausgezählt sein. Erst dann ist die Arbeit von Myriam und den anderen Stimmenzähler:innen in ihrem Wahlkreis getan – zumindest, bis der nächste Abstimmungstermin ansteht.

Würde dich ein Engagement als Stimmenzähler:in ebenfalls interessieren? Dann melde dich am besten beim Wahlbüro deiner Gemeinde oder in der Stadt Zürich direkt bei der Stadtkanzlei, Abteilung Abstimmungen und Wahlen.

Erstellt von Ann-Kathrin Amstutz